Die Tür des Schlosses Groß-Swehthof

Die Saaltür des Schlosses Groß-Swehthof. Um 1774/1775. Holz, Bemalung, Bronzierung, Vergoldung

In der dekorativen Kunstausstellung „Von der Gotik bis zum Jugendstil“ können Inneneinrichtungs-Dekorationen im Rokoko-Stil aus Lettland nur auf Fotografien gezeigt werden, denn das meiste dieses Interieurs gibt es nicht mehr – die Räume sind umgebaut oder zerstört. Die Tür des Schlosses Groß-Swehthof (Svēte) ist ein herausragendes, gut erhaltenes Beispiel des Rokoko-Stils, das während des Umbaus 1875 aus dem Schloss entfernt wurde.

Archivdokumente belegen, dass Graf Ernst Johann von Biron das Gut Groß-Swehthof schon 1736 als Teil des Guts Würzau (Vircava) als Lehen erhalten hatte. Der Briefwechsel zwischen Herzog Ernst Johann und dem Baumeister Johann Christoph Barnickel 1738 und 1739 über das Verputzen des Gebäudes legt den Zustand des

Schloss Groß-Swehthof. Lithografie von Friedrich Krause nach der Zeichnung von Karl Jakob Reinhold Minckeldé. 20er Jahre des 19. Jh. Nationalhistorisches Museum Lettlands

schon dort stehenden Gebäudes dar. Der Schriftverkehr zwischen Kammerherr Ernst Johann von Buttlar und Architekt Francesco Rastrelli hingegen zeugt von dem Plan, einen dem Herrscher von Kurland angemessenen Schlosskomplex zu errichten, angesichts der naheliegenden herzoglichen Residenzstadt Mitau (Jelgava). Während des Exils des Herzogs wurde das Schloss Groß-Swehthof so gut erhalten und renoviert, dass er dieses als einzige seiner Residenzen nach seiner Rückkehr aus der Verbannung 1763 nutzen konnte. Im ältesten Gebäude befand sich ein Saal mit verglaster Tür, die übrigen 20 Türen waren aus Eichenholz.

 

Das derzeitige Schloss Groß-Swehthof wurde auf Anweisung Herzog Peters von 1774 bis 1775 errichtet. Projektiert hatte es der Architekt Severin Jensen unter Einbindung des zuvor an diesem Ort befindlichen Gebäudes. Im zentralen Teil des Gebäudes kreierte er einen zweistöckigen ovalen Tanzsaal. Die Bilder von 1875 zeigen den Ort der Tür im komplizierten Dekor des Raumes. Es ist eine Doppelflügeltür mit profilierter Türfüllung, deren oberer und unterer Teil von vergoldeten Holzschnitzereien ergänzt werden. Die im unteren Teil der Türflügel pilasterartig hervortretende Füllung mit Treillenmotiv verleiht der Komposition Stabilität. Die Holzschnitzereien wurden möglicherweise vom Hofbildhauer Johann Georg Bader erstellt, der im Schloss Mitau mit den Schlafgemächern des Herzogs und den Holzschnitzereien der Türflügel bedeutende Arbeiten durchführte. Die dekorativen Stuckkompositionen des Interieurs gestaltete Johann Michael Graff. Am zentralen Gebäude des Schlosses Groß-Swehthof befanden sich zu beiden Seiten niedrigere zweistöckige Bauten, die einst als Gemäldegalerie und Orangerie dienten. Zwischen 1799 und 1800 wurden daneben auch Kasernen für eine Kürassiereinheit der russischen Armee ausgebaut. Die wesentlichen Umbauten, die die Inneneinrichtung des Schlosses zerstörten, wurden nach 1875 vorgenommen.

Schloss Groß-Swehthof. 1875. Foto: Hermann Kiepert. Denkmal-Dokumentationszentrum der Behörde für das nationale Kulturerbe
Ovaler Saal auf Schloss Groß-Swehthof. 1875. Foto: Hermann Kiepert. Reproduktion von Anna Müller-Eschenbach, Wissenschaftliches Archiv des Schlossmuseums Rundāle

Am 14. (26.) Oktober 1875 erschien in der „Rigaschen Zeitung“ ein Artikel von Leopold von Pezold, in dem er dazu aufforderte, den überragenden künstlerischen Wert des Schlosses Groß-Swehthof anzuerkennen. Die Beschreibung erwähnte, dass die Wände des Saals durch Pilaster und Wandtafeln unterteilt waren, deren vertiefte Platten hellgrün gestrichen waren, von denen sich wiederum weiße Wandtafeln und Formen abhoben. Vom Fries nach unten erstreckten sich Blätter- und Blütengirlanden mit Emblemen, die Lebensbereiche im Zusammenhang mit Jagd und Vergnügen zeigten. Darauf waren Jagd- und Fischereigegenstände zu sehen sowie Themen zu Gärtnerei und Blumenzucht. All diese Elemente wurden von verschiedenen Musikinstrumenten vervollständigt. Es gab vier Logen im Saal, deren Decken schneckenhausförmig waren, während die Wände mit plastischen Girlanden und Ornamenten geschmückt waren. Über die Tür schrieb Pezold: „Da ist jede Fläche künstlerisch benutzt und verwertet, auch wo Schnitzwerk die Rolle des Stuckes übernehmen muß, wie an der Innenseite der Thür, – denn nur eine Thür existiert noch, die vier Logenthüren sind durch moderne, vorgenagelte ersetzt; eine davon glaubten wir an einer anderen Stelle des Schlosses an ihren geschweiften Linien und vergoldeten Leisten wiederzuerkennen.“

In einem Artikel in der „Rigaschen Zeitung“ vom 30. Dezember 1875 (11. Januar 1876) wird erwähnt, dass die vorigen Artikel nicht von der Notwendigkeit hatten überzeugen können, dieses künstlerisch wertvolle kurländische Schloss zu erhalten, doch allgemeines Interesse geweckt hatten. Nach einem Besuch des Schlosses hätten der Architekt der Provinz, August Julius von Hagen, und der Akademiker Robert August Pflug den Fotografen Hermann Kiepert aus Mitau gebeten, die Schlösser Groß-Swehthof und Würzau vor deren Umbau zu fotografieren. Der Maler Julius

Döring beschrieb den Zustand des Schlosses am 26. Juni 1878: „… ich ließ mir gleich den berühmten ovalen Saal aufschließen, fand aber außer den Außenmauern nicht das Geringste mehr von ihm vor. Es war in 2 Stockwerke abgetheilt u. in viele höchst nüchterne Zimmer nebst 2 Küchen verbaut worden; von dem prachtvollen Stuckatur-Plafond keine Spur. Alles neu, glatt u. nüchtern. Alle diese Zimmer sind zu Offizierswohnungen bestimmt u. schienen auch theilweis schon bewohnt gewesen zu sein, doch das hier für gewöhnlich hausirende Militär befand sich im Lager. Die beiden etwas niedrigeren Flügel sind ganz modern, nur auf alten Grundmauern, es schien alles erst ganz kürzlich fertig geworden zu sein.“

 

Die Tür des Schlosses Groß-Swehthof in der Ausstellung des Dommuseums in Riga. 1940. Foto: Otto Klezl. Bildarchiv Foto Marburg

(Zitiert nach: Iepazīstot Latviju: mākslinieka Jūliusa Dēringa ceļojumu piezīmes. 19. gadsimta otrā puse. (Lettland kennenlernen: Reiseberichte des Künstlers Julius Döring. Zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts.) Riga: Staatsarchiv Lettlands, 2019, S. 286–287) Die Kasernen befanden sich bis zum Jahr 1993 im Schloss.

 

Die Türflügel wurden nach ihrer Herausnahme an die Gesellschaft für Geschichte und Altertumskunde zu Riga übergeben und in das 1890 gegründete Dommuseum, das heutige Rigaer Museum für Stadtgeschichte und Schifffahrt, eingebaut. Dem Schlossmuseum Rundāle, damals noch Abteilung des Heimatkundemuseums Bauska, wurde die Tür 1966 mit Veränderungen übergeben – mit einem Oberlichtfenster und neuem Türrahmen.

 

2014 wurde die Restaurierung durchgeführt. Als die Übermalungen entfernt wurden, kam der ursprünglich geplante Anblick zum Vorschein: eine hellgraue Bemalung mit türkisblauen, vertieften Füllungen und vergoldeten Holzschnitzereien. Im 19. Jahrhundert war die Tür mehrfach übermalt und die Schnitzereien teilweise mit Bronzefarbe bedeckt worden.

Friedrich Hartmann Barisien. Herzog Peter von Kurland. 1782. Nationalhistorisches Museum Lettlands, gelagert im Schlossmuseum Rundāle
Friedrich Hartmann Barisien. Herzogin Dorothea von Kurland. 1782. Nationalhistorisches Museum Lettlands, gelagert im Schlossmuseum Rundāle

 

Die Saaltür aus dem Schloss Groß-Swehthof ist mit einem romantischen Ereignis in der Geschichte des Herzogtums Kurland verbunden. Am 19. Oktober 1779 machte Herzog Peter im Schloss Groß-Swehthof seiner dritten Frau, Dorothea von Medem, den Heiratsantrag. Können Sie sich vorstellen, dass durch diese Tür einmal die junge, hübsche Dorothea kam, die soeben dem Herzog ihr Jawort gegeben hatte?

Schloss Groß-Swehthof. 1917. Fotosammlung von Wolfgang Sachs in Deutschland, Kopie im wissenschaftlichen Archiv des Schlossmuseums Rundāle
Schloss Groß-Swehthof. 2005. Foto: Imants Lancmanis
Schloss Groß-Swehthof. 1930. Denkmal-Dokumentationszentrum der Behörde für das nationale Kulturerbe
Die Tür des Schlosses Groß-Swehthof im Rokoko-Raum der dekorativen Kunstausstellung „Von der Gotik bis zum Jugendstil“

Verfasserin: Lauma Lancmane

20.05.2024

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