Die Vasen der Herzogin Dorothea

Die Vasen mit dem Porträt der Herzogin Dorothea und dem Wappen des Herzogs Peter von Kurland. Königliche Porzellan-Manufaktur, Berlin, 1791. Porzellan, bemalte Oberflächenglasur, Vergoldung

Am 18. Oktober 1791 schrieb Herzogin Dorothea von Kurland dem Eigentümer des Guts Blankenfelde, Karl von Manteuffel aus Berlin: „Ihro Majestäth haben mir 5 superbe große Porcelain Vaasen dunckelblau u. Gold u. vortrefflich gemahlt geschenckt.“ (Der Brief wird in der Lettischen Nationalbibliothek aufbewahrt.)

Der König von Preußen, Friedrich Wilhelm II., kannte Herzogin Dorothea von Kurland gut. Er hatte sie zum ersten Mal 1780 getroffen, als er auf dem Weg nach Sankt Petersburg Jelgava (Mitau) durchquerte; danach trafen sie sich 1785 und später oft in Berlin, weil Herzog Peter das Schloss Friedrichsfelde bei Berlin gekauft hatte. Die Vasen schenkte er ihr, als Herzogin Dorothea die ihr vom Herzog aufgetragene diplomatische Mission am Hofe von Warschau unterbrochen hatte und nach Berlin gereist war, um an der Hochzeit Prinzessin Friederike von Preußens am 29. September 1791 teilzunehmen.

Da die Vasen ein Geschenk direkt an sie waren, nahm Herzogin Dorothea diese nach der Abdankung Herzog Peters 1795 mit auf ihr privates Schloss Löbichau, wo die fünf Vasen sich bis 1907 befanden. Als die Herzogin am 20. August 1821 starb, übernahm ihre jüngste Tochter, Herzogin Johanna von Acerenza das Schloss Löbichau in ihren Besitz. 1876 erbte Johannas Verwandte Fanny, die Frau des Generals Leopold Hermann von Boyen, das Schloss, nach der es ihre Tochter Luise von Tümpling übernahm. Im Jahr 1907 beschloss die Familie von Tümpling, sich vom Gut Löbichau zu trennen, und stiftete es der Deutschen Adelsgenossenschaft für soziale Zwecke. Die Einrichtung des Schlosses wurde verkauft, es blieben nur zwei Räume in Museumsstil, in denen Gravuren, Porträts, Dokumente sowie einige Möbel ausgestellt waren.

Das Vasenset der Herzogin Dorothea von Kurland im Schlosssaal Löbichau. Foto: Schloss Loebichau, Einrichtung und Kunstgegenstände von ca. 1790–1820. Rudolph Lepke‘s Kunst- und Auctions-Haus Berlin, 1907. Tafel “Interieurs”

Am 22. und 23. Oktober 1907 wurde das Inventar des Schlosses Löbichau im Auktionshaus Rudolph Lepke versteigert – im Katalogbild sind alle fünf Vasen im Schlosssaal auf einem kleinen halbrunden Tisch unter dem Porträt der Prinzessinnen Pauline und Johanna zu sehen. Im Katalogtext sind jedoch weder die Vasen noch das Porträt enthalten, auch einige andere auf dem Foto sichtbaren Kunstgegenstände fehlen. Dafür gibt es eine einfache

Das Vasenset der Herzogin Dorothea von Kurland im „Silbernen Saal“ von Groß-Wartenberg. Foto: Schlesische Schlösser. Bd. III. Hrsg. von Robert Weber. Dresden, Robert Weber, [1909], Tafel 97

Erklärung: vor der Versteigerung hatte der Herr auf Groß-Wartenberg, Prinz Gustav Biron von Curland, die wertvollsten Gegenstände gekauft. Die Vasen der Herzogin tauchten noch einmal in dem schon zwei Jahre später erschienenen Album „Schlesische Schlösser“ auf, dessen Autor der Architekt Robert Weber war. Im sogenannten silbernen Saal des Schlosses Groß-Wartenberg sind diese auf einer gläsernen Vitrine aufgereiht zu sehen. Hier hängt über den Vasen das Porträt von Fanny, der Frau von Gustav Calixt Prinz Biron von Curland, während das auf der Fotografie aus Schloss Löbichau zu sehende Porträt der Prinzessinnen Pauline und Johanna zusammen mit dem Konterfei der beiden anderen Schwestern auf einer anderen Seite in Webers Album zu sehen ist. Heute gehören beide Porträts der Prinzessinnen dem Oberhaupt der Familie Biron, Ernst Johann Prinz Biron von Curland.

Das weitere Schicksal des Vasensets ist nicht bekannt. Erneut erschienen zwei Vasen in Erich Köllmanns Buch „Berliner Porzellan 1763–1963“, das 1966 in zwei Bänden in Braunschweig erschien; als Eigentümer der Vasen wurde Prinz Torlonia in Rom genannt. Als das Schlossmuseum Rundāle im Jahr 2000 eine Ausstellung zum Gedenken an den 200. Todestag des Herzogs Peter von Kurland organisierte, bat es den Prinzen Torlonia, für die Ausstellung ein Foto der Vasen zu übersenden, was jedoch nicht von Erfolg gekrönt war: aus dem Sekretariat des Prinzen kam die Antwort, diese seien im Palazzo Torlonia nicht zu finden.

Die Vasen der Herzogin Dorothea von Kurland in der Kollektion von Prinz Alessandro Torlonia in Rom. Foto: Köllmann, Erich. Berliner Porzellan 1763–1963. Braunschweig, Klinkhardt & Biermann, 1966, II. Band, Tafel 144

Bei der Durchsicht des Katalogs des Auktionshauses Bonhams Mitte Juni 2019 tauchten dort überraschend die beiden in Köllmanns Monografie zu sehenden Vasen der Herzogin Dorothea auf.

Vase mit dem Porträt der Herzogin Dorothea von Kurland
Fragment der Vase mit dem Porträt der Herzogin Dorothea von Kurland
Rückseite der Vase mit allegorischer Bemalung
Vase mit dem Wappen des Herzogs Peter von Kurland
Rückseite der Vase mit dem Monogramm des Herzogs Peter von Kurland PDC (lat. Petrus dux Curlandiae)

Es stellte sich heraus, dass Prinz Alessandro Torlonia de Civitella-Cesi 2017 gestorben war und seine Erben begonnen hatten, einen Teil der Sammlung zu verkaufen. Die Auktion fand am 2. Juli in London statt und das Museum konnte beide Vasen, deren lange Geschichte sie durch verschiedene Schlösser geführt hatte, erwerben. Zu Beginn bewahrte Herzogin Dorothea sie zweifellos im Schloss Vircava (Würzau) auf; nachdem das Herzogpaar Kurland verlassen hatte, kamen sie in das Schloss Löbichau, später verzierten sie das Interieur von Groß-Wartenberg, bevor die Via della Conciliazione 30 in Rom zu ihrem letzten Aufenthaltsort wurde. Dort verstecken sich hinter der düsteren Fassade des Ende des 15. Jahrhunderts erbauten Palazzo Torlonia prachtvolle Räume, die über mehrere Jahrhunderte dekoriert wurden. Nun sind die Vasen im Schloss Rundāle, und so kann man sagen, dass sie heimgekehrt sind – hoffentlich für immer. Sie stehen im Audienzzimmer des Herzogs auf einem Zylinderbureau aus Mahagoni unter dem Porträt des Herzogs Peter, das seinerzeit für den Academia Petrina-Saal in Jelgava gemalt wurde; von der gegenüberliegenden Seite des Raumes blickt die Herzogin Dorothea auf die Vasen. Dies ist eine Kopie des 1785 von Angelika Kauffmann in Rom gemalten Porträts, die der deutsche Künstler Johann Riedel unmittelbar nach der Entstehung des Originals anfertigte. Die Herzogin hatte selbst drei Kopien bestellt, und diese ist das Exemplar, das sie ihrem Bruder Graf Jeannot Medem geschenkt hatte. Im August 2019 erwarb das Museum das Gemälde zusammen mit anderen Familienporträts von Graf Théodore Medem, dem Nachfahren J. Medems.

Die Vasen der Herzogin Dorothea im Audienzkabinett des Herzogs

Die Vasen für Herzogin Dorothea waren kein alltägliches Geschenk – sie waren das Modernste aus der Produktion der Königlichen Porzellan-Manufaktur (KPM) in Berlin im frühen Klassizismus. König Friedrich II. hatte das Unternehmen 1763 von einem Privateigentümer gekauft, was für eine florierende Porzellanherstellung in Berlin sorgte. Der König hatte Gefallen an der Kunst des Rokoko, und auch die vielen bestellten Porzellan-Service für die königlichen Residenzen spiegelten Friedrichs II. Geschmack wider. Die Verlagerung zum Klassizismus fand 1785 statt, als in der

Vase aus dem Set auf dem Kamin des Konzertsaals in Schloss Sanssouci. KPM, 1785. Foto: Sanssouci//Schlösser, Gärten, Kunstwerke. Bearb. von einem Autorenkollektiv. Potsdam-Sanssouci, 1973, Abb. 24

Manufaktur die sogenannten Weimarer Vasen hergestellt wurden. Diesen Namen erhielten die urnenförmigen Vasen mit Henkeln und Schlangenmotiv auf dem unteren Teil des Korpus dank ihrer Auftraggeberin, der Herzogin Louise von Sachsen-Weimar. In demselben Jahr gelangten diese modernen Vasen auch in die königliche Residenz – ein Set von fünf Vasen wurde auf dem Kamin des Konzertsaales im Schloss Sanssouci platziert, welches sich noch heute dort befindet. In die runden Medaillons der Vasen sind Blütenkompositionen gemalt. Das sechs Jahre später für Herzogin Dorothea hergestellte Set hingegen hat ein komplizierteres ikonografisches Schema. Auf der mittleren, großen Vase aus dem Bild von 1909 ist das Wappen des Herzogs von Kurland abgebildet, das auch auf einer der mittelgroßen Vasen wiederholt ist, mit dem Monogramm Herzog Peters auf der anderen Seite. Auf der andern mittelgroßen Vase wiederum befindet sich das Hauptmotiv dieses Sets – das in sepiabraunem Ton gehaltene Porträt der Empfängerin dieses Geschenks, Herzogin Dorothea, das auf Grundlage des Porträts von Josef Grassi entstand.

Den „Weimarer Vasen“ war eine lange Geschichte vergönnt. Sie gehörten zu den Produkten der KPM, die in ihrer Form unverändert Jahrhunderte durchliefen; lediglich die Bemalung variierte. In Museen und Kunsthandlungen finden sich datierte Vasen (von 1830, 1849, 1878 oder 1930), die zeigen, dass dieser klassizistische, urnenförmige Gegenstand in keiner stilistischen Epoche als unmodern oder uninteressant erachtet wurde. Fast alle späteren Varianten stechen durch ein bunteres Kolorit hervor, das Blau des Korpushintergrunds wechselte sich mit Grün oder Rot ab oder blieb weiß, während in den Medaillons gewöhnlich elegante Szenen oder Landschaften aus dem 18. Jahrhundert abgebildet wurden. Bemerkenswerterweise sind nur noch wenige Beispiele aus der Entstehungszeit der Vasen, dem 18. Jahrhundert, zu finden, daher nimmt das „Weimarer Vasen“-Set der Herzogin Dorothea im Gesamtbild einen außerordentlich bedeutenden Platz ein. Die größte Ähnlichkeit dazu hat eine Vase mit dem in Sepia gemalten Porträt der preußischen Königin Friederike Luise, die am 29. Januar 2019 vom Auktionshaus Christie‘s versteigert wurde.

Die Verbindung der Vasen der Herzogin von Kurland mit dem Haus des Herzogs von Biron hat noch eine weitere symbolische Seite. Nach der Auktion überwies Ernst Johann Prinz Biron von Curland dem Schlossmuseum Rundāle den Kaufpreis und machte sie somit zu einem Geschenk der Familie an diese Sommerresidenz des Herzogs und allgemein an Lettland. Und in der Tat: Wenn nicht die Stürme des Zweiten Weltkriegs über Europa hereingebrochen wären; wenn man sich vorstellt, die Nachkriegsentwicklungen wären anders verlaufen; wenn das Schloss Groß-Wartenberg nicht abgebrannt wäre, dann wäre Prinz Ernst Johann als Oberhaupt der Familie Biron der heutige Eigentümer aller fünf Vasen. Doch auch ohne dieses hypothetische „wenn“ hat er erreicht, dass zwei bedeutende Kunstgegenstände, zwei wertvolle Familienreliquien nach Lettland zurückkehren.

Doch die Epopöe der Vasen von Herzogin Dorothea ist noch nicht abgeschlossen. Es bleibt die Frage, was mit den übrigen drei Vasen des Sets geschehen ist. Prinz Ernst Johann Biron ist der Ansicht, dass der größte Teil der Einrichtungsgegenstände von Schloss Groß-Wartenberg Anfang 1945 zerstört wurde, als die Rote Armee das Schloss ausraubte und anzündete. Es wurden nur die Dinge gerettet, die Prinz Karl Biron rechtzeitig in seine Villa in Baden-Baden gebracht hatte, welche nach dem Krieg das einzige unversehrte Familienanwesen war. Prinz Ernst Johann weiß auch nicht, wann und wie die Vasen nach Rom gekommen sind. Hat sein Vater diese nach dem Zweiten Weltkrieg verkauft? Warum sind es nur zwei? Wann wurde das Set aufgeteilt? Sind die übrigen Vasen zerstört worden oder werden sie irgendwo aufbewahrt und warten auf ihre Entdeckung?

Verfasser: Dr. h. c. art. Imants Lancmanis

20.05.2024

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