
Im Jahr 2013 schenkte Graf Théodore Medem dem Schlossmuseum Rundāle eine Sammlung von Familienreliquien, die sein Großvater 1918 aus dem Gut Stukmaņi (Stockmannshof) und Gut Vecauce (Alt-Autz) nach Deutschland und später nach Frankreich gebracht hatte. Die Schenkung beinhaltete auch das Kosmetik- und Toilettenartikel-Set aus Porzellan der Herzogin Dorothea von Kurland – 22 in der Königlichen Porzellan-Manufaktur Berlin (KPM) gefertigte Gegenstände. Traditionell wird so ein Set auch Service genannt, obwohl es im Unterschied zu einem Ess-, Tee- oder Kaffeeservice verschiedene Gegenstände zur Gesichts- und Körperpflege beinhaltet.
Ein Geschenk des Königs von Preußen Friedrich II. an Herzogin Dorothea
Bis 2013 war das um 1780 in der Königlichen Porzellan-Manufaktur Berlin hergestellte Toilettenartikel-Service, das Herzogin Dorothea vom König von Preußen Friedrich II. geschenkt wurde, besser bekannt. Auf zwei alten Fotografien aus Schloss Sanssouci in Potsdam ist es sowohl in seinem Aufbewahrungskoffer als auch auf dem Tisch zu sehen. Dieses Set hatte der Preußische König Friedrich Wilhelm IV. im Jahr 1844 von einem Kunsthändler erworben, der es wiederum aus dem Eigentum der Prinzessin Wilhelmine von Kurland, der Tochter Herzogin Dorotheas, erhalten hatte.
Die Medaillons der Gegenstände sind mit grauer Grisaille bemalt und stellen Szenen aus den „Metamorphosen“ des Dichters Ovid dar, die den Zeitraum von der Schöpfung der Erde bis zur Herrschaft Julius Cäsars beschreiben. Als Vorlagen für die Bemalung dienten Gravuren. Die Wassertasse ist nach der Gravur „Meleagros, Atalante und der Kalydonische Eber“ des französischen Malers Charles Monnet (1732–1808) bemalt, die im Buch „Les Metamorphoses d‘Ovide”“ (Paris, 1767–1771) erschienen war. Den oberen Teil des Spiegels schmückt das Porträt Ovids. Der Schöpfer der skulpturalen Verzierungen und der drei fliegenden Engel ist der deutsche Bildhauer, Maler und Graveur Johann Eckstein (1735–1817). Die Bemalung besteht aus Rosenblüten- und Rosenblättermotiven und vergoldeten Ornamenten. Die länglichen und runden Kästchen, der Fingerhut, der Kerzenlöscher, die Wassertasse, die Rosette zum Garnaufwickeln, die Bürste und die Teller sind in den gleichen Formen gefertigt wie die Gegenstände des von Graf Théodore Medem geschenkten Services.
In den Fotografien aus den dreißiger Jahren des 20. Jahrhunderts sind zwölf Serviceteile mit Rosenmalereien und mythologischen Szenen zu sehen. Nach dem Zweiten Weltkrieg blieb in der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten der Region Berlin-Brandenburg nur ein Teller der Aufbewahrungskoffer erhalten.
Kosmetik- und Toilettenartikel-Sets in Europa
Kosmetik- und Toilettenartikel-Sets oder -Service wurden in Europa vom 17. bis zum 19. Jahrhundert gefertigt, zum Teil auch im 20. Jahrhundert. Sie wurden, oftmals in Herrscherkreisen, als gutes diplomatisches Geschenk angesehen. Solche Sets wurden gewöhnlich zu besonderen Anlässen verschenkt wie Hochzeiten oder Kindesgeburten, oder als Aufmerksamkeit des Mannes an seine Ehefrau.
Ursprünglich bezeichnete das französische „toilette“ oder „petit toile“ ein kleines Tuch, doch mit der Zeit weitete sich die Bedeutung des Wortes „Toilette“ aus. Die morgendliche Toilette bedeutete in aristokratischen Kreisen ein gepflegtes Ritual zur Vorbereitung auf den geplanten Tagesablauf, welches das Bekleiden, Zurechtmachen der Haare und Schminken umfasste. Morgentoilette und Frühstück geschahen zum Teil öffentlich unter Teilnahme auserwählter Personen. Zunächst wurde es am Hof des französischen Königs Ludwig XIV. zum Ritual, später auch an den Höfen anderer europäischer Herrscher und beim Adel. Die Zeremonie der Morgentoilette nannte sich auf Französisch „lever“. Zu dem genau einstudierten Ritual wurden privilegierte Besucher und intime Freunde eingeladen, mit denen politische und geschäftliche Fragen erörtert oder geplaudert wurde. Gästen wurde Schnupftabak angeboten sowie Brühe oder Suppe und erfrischende Getränke gereicht. Denen mit schwacher Gesundheit wurden Getränke mit Milch gereicht. Unter den Wohlhabenden des 18. Jahrhunderts erlangte Tee große Beliebtheit, der damals ein teures Luxusgut war. In Frankreich begann das Teetrinken in Schlafgemächern und Boudoirs. Aus einem Topf wurde starker Tee in ein Tässchen eingeschenkt und mit heißem Wasser verdünnt; zur Verminderung der Bitterkeit wurde etwas Zucker und manchmal heiße oder kalte Milch hinzugefügt. Auch Kaffee und Schokolade waren beliebt. Brühe und heiße Getränke wurden in Schüsseln und Tassen mit Deckel serviert, die den Inhalt warm hielten und vor dem Puder schützten.
Toilettenrituale sind auf Gemälden und Gravuren abgebildet. Sie zeigen Toilettentische mit Sets, die in Boudoirs, Schlafzimmern und Ankleidezimmern aufgestellt und aus verschiedenen Materialien gefertigt waren, darunter Gold, Silber, Bronze, Emaille, Lack, Schildkrötenpanzer, Elfenbein, Glas, Kristall, Porzellan, Fayence, exotische Holzarten und anderes. Prachtvolle Toilettenartikel-Sets schmückten hauptsächlich die Boudoirs adeliger Damen, doch es gab auch spezielle Sets für Männer oder für Reisen.
In den „Reisekisten“ befand sich Geschirr für Kosmetik, Essen und Trinken sowie Wasch- und Schreibutensilien, Medizin und Zubehör. Die Kisten wurden oft aus exotischem Holz hergestellt und mit feinen Stoffen ausgekleidet. Um die Zusammenstellung kümmerten sich zumeist Händler. Meistens umfasste ein Set etwa 20 bis 30 Gegenstände. Doch das Toilettenset der russischen Großfürstin Maria Fjodorowna, das im Schloss Pawlowsk zu sehen ist, umfasst 72 Gegenstände aus der Porzellanmanufaktur Sèvres, die ihr 1782 der französische König Ludwig XVI. und Königin Marie Antoinette schenkten.
Das Kosmetik- und Toilettenartikel-Set wurde auf den Toilettentisch gestellt oder in speziell für das Zubehör vorgesehene Vertiefungen unter dem aufklappbaren Deckel mit Spiegel. 2016 kaufte das Schlossmuseum Rundāle einen im 3. Viertel des 18. Jahrhunderts gefertigten Toilettentisch mit 16 Vertiefungen für das Zubehör, unter dessen aufklappbarem Deckel sich überraschend sechs Porzellan- und Glasgegenstände befanden. In einem der Glasflakons waren noch Reste von ausgetrocknetem Essig vorhanden.

Solche Sets waren hauptsächlich für die Aufbewahrung von Kosmetikmitteln vorgesehen. Die Herstellung von Kosmetik wurde mit Alchimie verbunden, selbst mit Magie und Zauber. Rezepte wurden geheim gehalten. Es gibt dazu einen Ausspruch: „Nicht nur Krieg und die Pest forderten in der ganzen Welt Menschenleben, sondern auch die Schönheitspflege“. 1779 erschien das Buch „Toilet of Flora“ (London, 1779), das außerordentlich berühmt wurde. Darin sind Methoden der Badewannenvorbereitung beschrieben sowie Rezepte von Kosmetika, verschiedenen Essenzen und Düften veröffentlicht.
Kosmetik- und Toilettenartikel-Sets der Königlichen Porzellan-Manufaktur
1784 begaben sich Herzog Peter und Herzogin Dorothea von Kurland auf eine Reise durch Europa und besuchten auch die Königliche Porzellan-Manufaktur in Berlin, wo sie das Kosmetik- und Toilettenartikel-Set kauften, das Graf Théodore Medem dem Schlossmuseum Rundāle schenkte.

Es sind mehrere in der Königlichen Porzellan-Manufaktur gefertigte Toilettenservice mit gleicher Form und unterschiedlicher Bemalung bekannt. Das erste bestellte König Friedrich II. von Preußen am 18. Juni 1768, und es ist mit Blumengebinden dekoriert, während die Ränder mit schmalen Streifen vergoldeter Spitzenornamente verziert sind. Am 21. Dezember desselben Jahres entstand eine detaillierte Liste der Kästchen. Das Auktionshaus „Lempertz“ in Berlin verkaufte am 3. Mai 2017 die große rechteckige Dose aus diesem Service mit abgeschrägten Ecken und einem leicht gewölbten Deckel mit Asthenkel.https://www.lempertz.com/en/catalogues/lot/1084-3/393-a-large-berlin-kpm-porcelain-box-from-a-royal-toilette-service.html
Um 1770 wurde ein weiteres Toilettenservice mit Rosenblüten, Blättern und einem vergoldeten Streifen gefertigt, das in seiner Form analog zu dem 1784 entstandenen Toilettenservice der Herzogin Dorothea war.

Kosmetik- und Toilettenartikel-Set der Herzogin Dorothea
Die meisten Gegenstände sind vom Kosmetik- und Toilettenartikel-Set der Herzogin Dorothea erhalten geblieben, das mit grünen Girlanden, rosafarbenen Rosen und vergoldeten Bläschenornamenten am Rand verziert ist. Das Set im Schlossmuseum Rundāle besteht aus 22 Gegenständen, darunter fünf rechteckige Kästchen in verschiedenen Größen mit Deckel und fünf runde Kästchen in verschiedenen Größen. Zwei runde Deckel ohne zugehöriges Gefäß deuten darauf hin, dass das Set einst größer war.
Das Set umfasst fünf parallelepipedförmige Kästchen mit abgeschrägten Ecken und einem leicht gewölbten Deckel mit Griff: eine große Dose (16,2 cm x 24,1 cm x 20,6 cm), zwei mittlere (13,5 cm x 16,3 cm x 13 cm) und zwei kleinere (8,3 cm x 12,8 cm x 7,3 cm). Unter den fünf runden Dosen sind zwei gleiche (Höhe 11,5 cm, Durchmesser 13,4 cm) und drei unterschiedliche (8,5 cm x 8,7 cm; 9,5 cm x 7,4 cm und 7,5 cm x 6 cm).
In den Kästchen wurden Puder, Pasten, Cremes, Wangenrot und andere für die Schönheitspflege nötige Dinge aufbewahrt. Die Verwendung von Kosmetik sorgte für einen gleichmäßigen Hautton und verbarg Makel. Damals waren die Pocken eine verbreitete Krankheit, nach der auf der Haut Narben zurückblieben, die ein Leben lang sichtbar blieben. Eine dick aufgetragene Farbschicht half auch, Spuren von Syphilis zu verdecken. Mit kosmetischen Mitteln konnte das Gesicht bis zur Unkenntlichkeit verändert werden.
In Mode war eine aristokratische Blässe, die durch reichliche Benutzung von weißer Schminkpaste und Puder erzielt wurde. Ein blasses Gesicht zeugte davon, dass der Mensch nicht auf dem Feld gearbeitet hatte, gebräunte Haut hingegen wurde mit Landarbeitern assoziiert. Glatte Haut wurde besonders geschätzt. Frauen verwendeten eine Paste, die aus Bleiweiß und Essig hergestellt wurde. Diese wurde auf Gesicht, Hals und selbst den Brustbereich aufgetragen. Doch die genannten Mittel förderten Haarausfall, zudem ließ die Bleiweiß-Pigmentpaste die Haut grau und rau werden. Auf diese Weise ruinierten viele adelige Frauen ihr Aussehen und ihre Gesundheit. Im 16. Jahrhundert wurde die weiße Paste viel von der englischen Königen Elisabeth I. und ihrem Hof verwendet. Bleiweiß wurde noch zu Beginn des 18. Jahrhunderts benutzt, als vermehrt empfohlen wurde, Talk, Alaunpaste und Zinnasche zu verwenden.
Nach dem Auftragen der weißen Paste wurde das Gesicht gepudert. Das Wort Puder kommt aus dem Französischen, wo das in diesem Sinne benutzte Wort „poudre“ auch Staub bedeutet. Anfang des 16. Jahrhunderts begann man, Puder zu benutzen, um die Schminkpaste zu festigen. Der abfallende Puder deckte die Haut gleichmäßig ab und verringerte die Fettigkeit. Es wurde aus Reismehl und Talk hergestellt und mit einem großen, weichen Pinsel aufgetragen. Seit dem 10. Jahrhundert wurde Reis aus Asien nach Europa importiert, nach dem 15. Jahrhundert begann man, diesen auch in Italien und Spanien anzubauen. Reispulver bzw. Reisstärke zählte zu den feinsten verfügbaren Pudern, Talk wiederum war eine der weißesten Substanzen. Auch Haare und Perücken wurden gepudert. In Mode waren weiß oder grau gepuderte Perücken und Haare – leicht angegraut sollten sie aussehen.
Strahlende Schminke wurde als Zeichen für Adel angesehen, daher wurden für Wangen und Lippen leuchtende Farben benutzt. Man war der Ansicht, dass rötliche Wangen eine Frau jünger machen. Wangenrot oder Rouge (aus dem Französischen) war ein kosmetisches Mittel in verschiedenen Rottönen zum Schminken von Wangen und Lippen. Für seine Herstellung wurde Quecksilbersulfid (Zinnober) verwendet, das auch „Drachenblut“ genannt wurde. Zinnober ist ein wesentlicher Bestandteil von Quecksilber, der als rotes Pigment benutzt wurde, doch Zinnobererz ist sehr gesundheitsschädlich. Wenn schuldig Gesprochene zur Arbeit in Zinnoberminen verurteilt wurden, kam das im Prinzip ihrem Todesurteil gleich. Mit dem Wissensstand der Menschen veränderte sich im 18. Jahrhundert auch die Zusammensetzung von Wangen- und Lippenrot: man begann mit der Nutzung von Fetten, weniger schädlichen Farbstoffen sowie Geruchsstoffen. Zur Herstellung von weicher Schminke wurde Schweine- und Rinderfett verwendet, härtere wurde aus Schafsfett hergestellt. Auch Gänsefett sowie Fette verschiedener exotischer Tierarten wurden verwendet. In einer der runden Dosen der Herzogin Dorothea, die sich in der Museumssammlung befinden, waren Reste von Rouge erhalten.
Für das Puderauftragen und das Entfernen von überflüssigem Puder von Gesicht und Kleidung wurden Pinsel und Bürsten aus weichen Tierborsten oder Wolle benutzt. Im Set von Herzogin Dorothea ist eine ovale Bürste erhalten, deren Oberseite aus bemaltem Porzellan und die Unterseite aus gefärbter Tierwolle besteht (7 cm x 12,5 cm x 7,5 cm).
Zum Set gehört eine ovale Schüssel zum Waschen von Händen und Gesicht (5,4 cm x 26,6 cm x 21 cm) sowie ein Wasserkännchen mit gebogenem Henkel (17 cm x 13,5 cm).
Auch zwei flache ovale Teller sind erhalten (2,4 cm x 17 cm x 12,3 cm).
Zur Beleuchtung diente ein Kerzenständer für eine Kerze auf einem Fuß (Höhe 7,3 cm, Durchmesser 12,3 cm). Die Kerze konnte mit einem kegelförmigen Löschhütchen (7,8 cm x 3,8 cm) gelöscht werden.
Für Näharbeiten wurde der rosettenförmige Wickel (Durchmesser 4,8 cm) und der Fingerhut (Höhe 4,8 cm) verwendet.
Zum Öffnen von Briefen und Siegeln konnte das unscharfe Messer aus vergoldetem Metall mit Porzellangriff (Länge 15 cm) verwendet werden.
Das flache Döschen mit Deckel diente als Etui für kleine Gegenstände oder Necessaire (11 cm x 1,7 cm x 6,5 cm). Es enthält zwei Bereiche für Gegenstände, einen großen und einen kleinen, doch es ist leer. In Necessaires wurden für gewöhnlich kleine Scheren, Feilen, Ohrreinigungslöffelchen, Nadeln, Nagelpoliturzubehör und andere kleine Gegenstände aufbewahrt.
Zur Aromatisierung des Raums diente ein Dufträuchergefäß oder brule parfum mit Spirituslämpchen (Höhe 13 cm). Der Deckel des Gefäßes ist verloren.
Leider sind weder der Spiegel, noch der Pinsel zum Auftragen von Puder und Rouge, noch der Aufbewahrungskoffer von diesem Porzellan-Toilettenzubehör-Service erhalten.

Herzogin Dorothea von Kurland ist auf Porträts mit blassem Gesicht, gepuderten Haaren, rötlichen Wangen und Lippen abgebildet. Emilie von Binzer, das Pflegekind ihrer Tochter Wilhelmine, schrieb in Erinnerungen an die auf Gut Löbichau verbrachten Sommer, die Haut der Herzogin Dorothea sei „fein und weiß, doch sie schminkte sich während ihrer Toilette, und zwar nicht, weil dies nötig gewesen wäre, sondern weil es in ihrer Jugendzeit in Mode war. Herzog Peter kämpfte erfolglos dagegen an, gar mit Hilfe von Worten aus der Bibel: „ein geschminktes Gesicht wird den Herrn nicht sehen“.“ (Emilie von Binzer. Drei Sommer in Löbichau. 1819–1821. Leipzig, 1878, S. 15–16)
Das Toilettenservice der Herzogin Dorothea zeigt, dass die Schönheitspflege im 18. Jahrhundert ein wichtiger Bestandteil des Lebens einer adeligen Dame war. Kosmetik war teuer und nur reichen Menschen zugänglich.
Verfasserin: Dzintra Miķelsone,
Abteilung Sammlungen und Forschung
20.05.2024